Mittwoch, 2. Juni 2010

Übergewicht, eine weltweite Epidemie. Warum?

Übergewichtigkeit breitet sich weltweit epidemisch aus. Selbst Babys, die allein Muttermilch trinken, bilden mehr Fettzellen, sind häufiger übergewichtig als noch vor einer Generation. Obwohl die jungen Menschen in Mittel- und Westeuropa weniger Kalorien, weniger Fett essen als ihre Eltern, als sie jung waren, gibt es immer mehr stark übergewichtige Mädchen und Jungen. Selbst in Frankreich, welches viele Jahre lang als große Ausnahme in Europa galt, breitet sich bleibende Übergewichtigkeit dramatisch aus. Vorläufer dieser weltweiten Epidemie und besonders stark betroffen sind die USA. 

Warum?

Der französische Forscher Pierre Weill erklärt in seinem Buch "tous gros demain" (morgen alle dick) die Mechanismen, die dahinterstecken. Seit etwa 15 Jahren sind diese Zusammenhänge und ihre dramatischen Folgen für die Volksgesundheit unter Fachleuten bekannt, jedoch immer noch nicht den meisten Bürgern, den meisten Ärzten und vielen Ernährungsberatern.

Hier die Übersetzung aus dem Französischen eines Gesprächs mit Pierre Weill:

Frage: Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit wächst unsere Leibesfülle bei gleichzeitig weniger Kalorienaufnahme... Wie läßt sich dies Paradox erklären?

Antwort: Natürlich ist die Entwicklung des Übergewichts zuerst ein Problem des Gleichgewichts zwischen Kalorienzufuhr und Kalorienbedarf. Der Körper speichert das Überangebot in Form von Fettzellen. Aber... die Anzahl der Fettzellen in unserem Körper hängt allein ab von der Qualität unserer Nahrung und nicht von der Quantität.

Unsere Natur meint es zu gut mit uns... Um ein Überangebot an Nahrung in guten Zeiten speichern zu können für Hungerzeiten, entwickelt unser Körper die Fettzellen selbst viel früher, als er diese füllt.

Es gibt somit zwei Phasen für die Entwicklung von Übergewichtigkeit:

die erste Phase läuft im Stillen ab, wenn der Körper unter dem Einfluß von Omega 6 Fettsäuren die Anzahl der Fettzellen produziert. In einer zweiten Phase, wenn Kalorien im Überfluß aufgenommen werden, füllen sich die früher gebildeten Fettzellen sehr effizient und schnell. Gefüllte Fettzellen können sich wieder durch Hungern leeren, jedoch verschwinden sie nie, sie warten nur darauf sich erneut zu füllen.

Frage: Was soll man tun, um möglichst bleibend möglichst viel Fett anzusetzen?

Antwort: Ganz einfach viel Omega 6 und wenig Omega 3 essen, um viele Fettzellen zu bilden + ein wenig zu viel über längere Zeit essen + sich über längere Zeit ein wenig zu wenig bewegen. Auf jeden Fall geht es nicht um Kalorien!

Frage: Man sagt "mit seinem Schnabel macht das Huhn seine Eier". Welche Auswirkungen hat die Nahrungsmittelkette auf unsere Gesundheit?

Antwort: Die Omega 6, welche für die Anzahl der Fettzellen zuständig sind, sowie die Omega 3, die den Gegeneffekt haben, regulieren das Leben unseres Körpers indem sie gemeinsam die großen Funktionen des Organismus steuern: die Lipogenese, wie gerade beschrieben, aber auch die Fortpflanzung, die Immunität und insbesonders die ENTZÜNDUNG. Letztere ist "die Mutter aller Zivilisationskrankheiten" wie Diabetes, Übergewicht, Herz-Kreislaufkrankheiten, Krebs...

Aber kein Tier -wir Menschen eingeschlossen- ist in der Lage die zwei Moleküle Omega 6 und Omega 3 selbst herzustellen... Diese wachsen in Form von Pflanzen auf unseren Wiesen und Feldern. Omega 3 findet sich vorzugsweise in Gras, Grünpflanzen, in Leinsamen. Omega 6 findet sich in großen Mengen in Mais und Soja...

Deswegen produziert ein Huhn, welches sich wie in früheren Zeiten von Kräutern, Würmern und Leinen ernährt, ein wertvolles Ei mit viel Omega 3 ... Wogegen dasselbe Huhn, welches ständig Mais und Soja pickt -dies sind heutzutage die allermeisten Legehühner- regelrechte Entzündungsbomben mit einem Verhältnis von Omega 6/Omega 3 von über 25 und 30 / 1 produzieren.

Frage: Wie können wir die Lust am Essen wiederfinden und etwas für unsere Gesundheit tun?

Antwort: Zuerst einmal muß beides Hand in Hand gehen, Lust am Essen und Gesundheit. Es ist schwierig, seine Essensgewohnheiten zu ändern. Und es ist gefährlich, alles was wir essen wie ein Buchhalter auszuzählen. Dadurch verlieren wir leicht das Gefühl dafür, was gut für uns ist oder nicht.

Frage: Was schlagen sie vor?

Antwort: lesen Sie die Etiketten auf der Verpackung der Nahrungsmittel, die Sie kaufen wollen. Wenn da steht "nicht identifizierte pflanzliche Fette" vermeiden Sie sie, es handelt sich dann meist um Palmöl, reines Omega 6. Schauen Sie auf das Verhältnis Omega 6/Omega 3, gut ist 5/1, sehr schlecht ist 20/1. Und essen Sie mit Freude ihren Teller leer, auf welchem farbige, das heißt vielseitige, und Ihnen gut schmeckende Nahrung liegen sollte.


Soweit Pierre Weill. Doch was nützt es uns zu wissen warum, aber nicht zu wissen wie und wo wir Omega 3 reiche Nahrungsmittel kaufen können. Müssen wir Nahrungsergänzungsmittel essen wie Medikamente? Müssen wir teure Fischölpillen zu uns nehmen?

Das ist in der Tat das Interesse geschäftiger Lobbys der Nahrungs- und Pharmaindustrie. Sie haben es schon recht gut geschafft, dass immer mehr Menschen Nahrung wie eine Medizin zu sich nehmen, ihr Essen in der Apotheke kaufen.

Pierre Weill und seine Mitstreiter wären keine echten Franzosen, würden sie da mitmachen. Sie packen das Problem an der Wurzel an, nämlich an der Nahrungsmittelkette.

Hierzu wurde vor genau 10 Jahren der Verein "bleu-blanc-coeur" gegründet, übersetzt "blau-weiß-Herz", eine Anspielung auf die französische Nationalflagge blau-weiß-rot.
Siehe: 
www.bleu-blanc-coeur.com

In diesem Verein haben sich Spezialisten aus der ganzen Nahrungsmittelkette zusammengefunden. Ihre Grundidee ist einfach: "um die Menschen gut zu ernähren, kümmern wir uns erst einmal um den richtigen Feldanbau und um die richtige Ernährung unserer Tiere".

Zuerst einmal ging es darum, die alte Kulturpflanze Leinen und ihre Verarbeitung wiederzuerwecken; denn Leinen ist der beste Omega 3 Lieferant. Dann auch die Luzerne, der Hanf, die Wiesengräser, der Klee. Alles Nutzpflanzen, die reich an Omega 3 sind, direkt aus der Photosynthese stammen, eigentlich gebündelte Sonnenenergie sind.

Die Leinenkultur wurde von Karl dem Großen eingeführt. Sie hatte Europa Gesundheit und Reichtum gebracht. 1850 wurde auf mehr als 1 Millionen Hektar in Frankreich Leinen angebaut, im Jahre 2000 waren es nur noch 15.000 Hektar. Was war geschehen? Leider nur allzu verständlich für unsere Epoche. Der Leinenanbau ist nicht rentabel genug, die Ernte zu schwierig, einfach nicht produktiv genug.

Stattdessen baut man weltweit intensiv Mais und Soja an. Eine unseelige Entwicklung für die Böden, die Tierwelt und für uns Menschen. Im Leinöl sind 60% Omega 3 Fettsäuren, sie ist die Omega 3 haltigste Pflanze. Auch Luzernen enthalten viel Omega 3. Tiere, welche Leinen, Gras, Luzernen fressen, produzieren Eier, Fleisch, Milch, in welchen Omega 3 und Omega 6 in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen. Wogegen Milchkühe, Rinder, Schweine, Hühner die mit Mais und Soja gefüttert werden -das sind heutzutage die allermeisten- viel zu wenig Omega 3 und viel zu viel Omega 6 produzieren.

Beispielsweise ein wenig Leinöl unseren täglichen Speisen zugegeben, und wir verbessern das aktuelle Mißverhältnis von Omega6 6 zu Omega 3 schon wesentlich. Beispielsweise Butter aus Milch von Kühen, die Gras, Luzernen, Klee und Leinsamen fressen, und es fehlt nicht an Omega 3. Dagegen Käse, Joghurt und Butter aus Milch von Hochleistungskühen, die mit Kraftfutter aus Mais und Soja gefüttert werden -das sind heutzutage die allermeisten- und es fehlt erbärmlich an Omega 3.

Kleine Veränderungen in den Eßgewohnheiten führen uns mehr Omega 3 zu: Rapsöl statt Sonnenblumenöl für Salate. Einmal die Woche ein Heringsgericht oder Sardinen, Makrelen. Zum Frühstück zwei Löffel Leinöl in Magerquark eingerührt als Basis für ein Müsli oder für einen Brotaufstrich.   

Die industrialisierte Landwirtschaft, so wie sie sich weltweit seit etwa 50 Jahren ausbreitet, mit  ihrem stetigen Suchen nach immer mehr, immer billiger, ist dabei uns Menschen krank zu machen mit ihren Monokulturen an Soja, Mais,Weizen, Palmöl... ihrem Kraftfutter zur Rindermästung, den Hormonen für schnelleres Wachstum der Tiere, den ständigen Antibiotikagaben bei der Massentierhaltung, der Massenfischzucht. Pestizide, die das Leben in den Böden abtöten. All dies bringt nur wenigen großen Konzernen hohe Profite, ruiniert die traditionelle Landwirtschaft und macht uns krank. Um so mehr ist eine Initiative wie Bleu-Blanc-Coeur es Wert, von uns unterstützt zu werden    

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