Samstag, 29. Mai 2010

Sonntag, 9. Mai 2010

Liebeslied


Helle Länder sind deine Augen.
Vögelchen sind deine Blicke,
zierliche Winke aus Tüchern beim Abschied.

In deinem Lächeln ruh ich wie in spielenden Booten.
Deine kleinen Geschichten sind aus Seide.

Ich muß dich immer ansehn.

(Alfred Lichtenstein)

Samstag, 8. Mai 2010

Prophezeiung


Einmal kommt - ich habe Zeichen -
Sterbesturm aus fernem Norden.
Überall stinkt es nach Leichen.
Es beginnt das große Morden.

Finster wird der Himmelsklumpen,
Sturmtod hebt die Klauentatzen.
Nieder stürzen alle Lumpen.
Mimen bersten. Mädchen platzen.

Polternd fallen Pferdeställe.
Keine Fliege kann sich retten.
Schöne homosexuelle
Männer kullern aus den Betten.

Rissig werden Häuserwände.
Fische faulen in dem Flusse.
Alles nimmt ein ekles Ende.
Krächzend kippen Omnibusse.

(Alfred Lichtenstein)


Sonntag, 2. Mai 2010

Der mai mit lieber zal


der mai mit lieber zal
die erd bedecket überal,
pühel, eben, berg und tal.
auss süssen voglin schal
erklingen, singen hohen hal
galander, lerchen, droschel, die nachtigal.

der gauch fleucht hinten hin nach
zu grossem ungemach
klainen vogelin gogelreich.
höret wie er sprach:
"cu cu, cu cu, cu cu,
den zins gib mir,
den will ich han von dir,
der hunger macht lunger mir
den magen schir."

"ach ellend! nu wellent soll ich?"
so sprach das klaine vich.
küngel, zeisel, mais, lerch,
nu kommen wir singen:
"ai und tu ich tu ich tu ich tu ich,
oci oci oci oci oci oci,
fi fideli fideli fideli fi,
ci cieriri ci ci cieriri,
ci ci ciwigk cidiwiggk fici fici,
so sang der gauch neur:
"kawa wa cu cu."

"raco" so sprach der rab:
"zwar ich sing ouch wol:
vol müss ich sein,
das singen mein:
scheub ein! herein! vol sein!"

"liri liri liri liri liri liri lou,"
so sang die lerch,
so sang die lerch,
so sang die lerch,
"ich sing hell ain droschelin,
ich sing hell ain droschelin
ich sing hell ain droschelin,
das in dem wald erklinget."

in lierent, zierent
gracket und wacket
hin und her
recht als unser pfarrer.

zidiwick zidiwick zidiwick
ziflicgo ziflicgo ziflicgo nachtigall
dieselb mit irem gesangk
behüb den gral.

(Oswald von Wolkenstein)